Typologien ermöglichen es Menschen, aus einer Vielfalt von individuellen Merkmalen Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten zu erkennen. Das Denken in Typologien ist schon sehr alt. Bereits in der Antike und der Spätantike gingen Hippokrates und Galen von der sogenannten Vier-Säfte-Lehre aus, die die Temperamente (die Typen) von Menschen auf ein System von Mischungsverhältnissen aus den vier grundlegenden Körpersäften zurückführen und diese mit den Eigenschaften der vier Naturkräfte Feuer, Wasser, Erde und Luft kombinierten: gelbe Galle dominiert demnach den Choleriker (Feuer), das Blut den Sanguiniker (Luft), die schwarze Galle den Melancholiker (Erde) und der Schleim den Phlegmatiker (Wasser). Schon diese frühe Typologie von menschlichen Verhaltenspräferenzen versucht, Verhalten prognostizierbar zu machen.

Eine weitere, äußerst einflussreiche Typologie menschlichen Verhaltens, die sich stark an Hippokrates’ und Galens Modell anlehnt, erarbeitete der Psychologe und Psychotherapeut C.G. Jung (1875-1961). Er prägte die heute in der Alltagssprache allerorts anzutreffende Begriffspaare Intro- und Extraversion. Jung bezeichnet damit typische Verhaltensmuster von Menschen, die entweder stärker auf sich selbst fokussiert (introvertiert) oder mehr auf äußere Dinge (extravertiert) fokussiert sind (vgl. Jung 2010).

Der Psychoanalytiker Fritz Riemann (1902-1979) erweiterte schließlich C.G. Jungs bipolare Typologie um die Zwischenbereiche Ordnung/Gewissenhaftigkeit (zwischen Introvertiert und Dingfokussierung), Bewegung/Initiative (zwischen extravertiert und menschfokussiert), denen er bestimmte Farben zuordnete: Die Farbe Rot verweist auf Ich-Bezug und Dominanz, die Farbe Gelb auf Bewegung/Initiative, Die Farbe Blau auf Ordnung/Gewissenhaftigkeit und die Farbe Grün auf den Bezug auf Andere und Stetigkeit.

Dass es sich dabei keineswegs um Persönlichkeitszuschreibungen handelt, versteht sich von selbst. Die Farbzuordnung ist lediglich der Versuch, häufig wiederkehrende Verhaltensweisen in einem für alle nachvollziehbaren Schema abzubilden. Auf dieser Farbtypologie bauen nun wiederum die heute in der Personalentwicklung erfolgreichen Modelle wie DISG, MBTI, HBDI und weitere Verhaltenstypologien auf.

Wozu ist dies nützlich? Dass Menschen in ganz in ähnlichen Situationen und Kontexten ganz unterschiedlich reagieren, ist jedem sicherlich schön häufig aufgefallen. Typologien helfen dabei, zu erkennen, welche Verhaltenspräferenzen ein Mensch in bestimmten Kontexten und Situationen besitzt. Kennt man diese Präferenzen, sind sie der Schlüssel für eine erfolgreiche und „typgerechte“ Kommunikation.

Die wohl einflussreichste Familientherapeutin des 20. Jahrhunderts, Virginia Satir, fand in ihrer Arbeit mit Familien fünf dominierende Kommunikationstypen heraus, die auch im Arbeitsalltag relevant wurden. Sie fasste sie im sogenannten Satir-Modell zusammen: Der Ankläger (tendiert eher zu rot), der Rationalisierer (tendiert eher zu blau), der Ablenker (tendiert eher zu gelb), der Beschwichtiger (tendiert eher zu grün) und der (authentische) Kommunikator. Nur der authentische, ehrliche und direkte Kommunikator ist nach Satirs Erkenntnissen in der Lage, Gefühle und Kommunikationsverhalten so einander anzupassen, dass sie als stimmig und überzeugend empfunden werden.

Typologien helfen dabei, Komplexität zu reduzieren und unübersichtliche Sachverhalte überschaubar zu machen. Sie bilden „Realität“ niemals in Gänze ab, sondern bieten Orientierung auf einer ansonsten noch unbekannten Landkarte. Typologien bestehen aus Typen, die C.G. Jung als „ein den Charakter einer Gattung oder Allgemeinheit in charakteristischer Weise wiedergebendes Beispiel oder Musterbild“ definierte (Jung 2010, S. 191). Sie sind nicht mehr, aber auch nicht weniger als dies.

Bedeutung von Typologie bei SPRACHKULTUR:

  • Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie.
  • Mit dem Erkennen und Kategorisieren unterschiedlichen Typen ermöglichen wir Menschen, sich im Alltag sicherer Kollegen,Vorgesetzten und Mitarbeitern zu öffnen und mehr Wahlfreiheit im Verhalten zu entwickeln.
  • Je weiter man im Erkennen fortschreitet, desto mehr lösen sich Kategorisierungen wieder auf.

Literatur

Harald Derschka (2013): Die Viersäftelehre als Persönlichkeitstheorie. Zur Weiterentwicklung eines antiken Konzepts im 12. Jahrhundert. Neue Ausgabe. Thorbecke, Ostfildern.

G. Jung (2010): Typologie. 10. Aufl. München.

Fritz Simon (2006): Persönlichkeitsmodelle und Persönlichkeitstests. Offenbach.