Systemisches Denken ist eine Denkschule, die mittlerweile weite Teile der westlichen Wissenschaftstheorie durchdrungen hat. Es ist keine modische Attitüde, sondern ein seit rund 60 Jahren die Sozial-, Geistes- und Naturwissenschaften gleichermaßen prägendes Denkmuster.

Ein System ist auf formaler Ebene eine beliebige Gruppe von Elementen, die durch Beziehungen miteinander verbunden sind. Diese Elemente und ihre Beziehungen sind durch eine Grenze von ihren Umwelten abgetrennt, wie Axonen und Dendriten im Nervensystem, die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern in einer Familie oder von Fröschen im Tümpel. Systeme entstehen unter dem systemischen Blick eines Beobachters. Erst dieser Blick entscheidet, welche Elemente, welche Beziehungen und welche Grenzen dem System zugeordnet werden. Systemisch ist folglich ein erkenntnistheoretischer Begriff, der danach fragt: „Was kann ich erkennen?“

Arbeitsweisen, die einen solchen systemischen Blick des Beobachters bewusst nutzen, um Prozesse und Abhängigkeiten innerhalb oder zwischen Systemen zu beschreiben, können als systemisches Arbeiten oder systemische Praxis bezeichnet werden. Sobald nun dieses Arbeiten darin besteht, andere Menschen zu befähigen, Lösungen für von ihnen gesehene Probleme zu finden, sprechen wir von systemischer Beratung.

Unserer Arbeit bei SPRACHKULTUR liegen folgende Prämissen zugrunde:

  • Wir arbeiten systemisch. Das bedeutet, dass wir den Blick nicht nur auf Einzelpersonen oder Probleme (z.B. fehlerhafte Lieferungen, mangelnde Information, gehäufte Reklamation, unpassende Personalauswahl, hoher Krankenstand etc.) immer im Kontext und in den Wirkzusammenhängen im Blick haben.
  • Dass wir systemisch arbeiten, erkennt man am besten an unseren Fragen. Wir arbeiten weniger kausal (Warum? Weil x so, muss y so), sondern unsere Frage ist: Welche Intention hat X und inwieweit ist das zieldienlich? Durch was an X fühlt sich Y gestört? Was ist das Ziel von Y? Gab es Zeiten wo X und Y in einer anderen, vielleicht besseren Form, verbunden waren.
  • Es gibt keine objektive Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist das, was wir beim Betrachten der Elemente und ihrer Verbindungen als wahr erachten.
  • Beobachter sind Teil ihrer Beobachtung. Daraus folgt, dass es keine objektive Beobachtung gibt.
  • Probleme sind Konstrukte der Beteiligten und jeder dieser Beteiligten beschreibt, erklärt, bewertet dieses Konstrukt auf seine individuelle Weise. Diese Art der Konstruktion hinterfragen wir, um im ersten Schritt den Blick nachvollziehen und im zweiten hinterfragen zu können.

Systemisches Arbeiten setzt eine sehr klare antreiberfreie Arbeitshaltung voraus – sie bedarf langjähriger Übung und Erfahrung. Je klarer wir Gesprächsräume bieten können, desto mehr Erkenntnis ist für unsere Gesprächspartner möglich. Echte Begegnung kann stattfinden. Neue Möglichkeiten entstehen. Wir sind sozusagen Möglichkeitskonstrukteure.

Literatur

Gregory Bateson (1985): Die Ökologie des Geistes. Anthropologische, psychologische, biologische und epistemologische Perspektiven. Frankfurt am Main.

Gregory Bateson (2014): Geist und Kultur. Eine notwenige Einheit. 10. Aufl. Frankfurt am Main.

Roswita Königswieser / Martin Hillebrand (2013): Einführung in die systemische Organisationsberatung. 7. Aufl. Heidelberg.

Niklas Luhmann (1999): Soziale Systeme: Grundriß einer allgemeinen Theorie. 7. Aufl. Frankfurt am Main.

Arist von Schlippe / Jochen Schweizer (2013): Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I. Das Grundlagenwissen. 2. Aufl. Göttingen.

Talcott Parsons (1976): Zur Theorie der sozialen Systeme. Opladen.

Dietmar Vahs (2012): Organisation. Ein Lehr- und Managementbuch. 8., überarb. und erw. Aufl. Stuttgart.

Paul Watzlawick (1976): Wie wirklich ist die Wirklichkeit? München.