Bei zirkulären Fragen wird nicht ‚direkt‘ oder ‚linear‘ nach den Wahrnehmungen, Emotionen, Verhaltens- und Denkweisen des Klienten gefragt, sondern dessen Vermutungen über das Erleben anderer. Dadurch nimmt der Klient eine Beobachterposition ein und kann so seinen aktuellen Status quo aus einer andere Perspektive wahrnehmen.

Die Methode wurde in der systemischen Therapie von Mehrpersonensystemen entwickelt. Im Rahmen des NLP werden beispielsweise die drei Wahrnehmungspositionen: Assoziation (Ich), Dis-Assoziation (ES), und Empathie (DU) beschrieben. Genutzt wurde diese Art der Fragearbeit unter anderem von Virginia Satir, Fritz Perls, Milton Erikson.

Zirkuläre Fragen erweitern die konstruierte „Realität“ des Klienten, indem sie andere Sichtweisen auf dasselbe Problem bewusst machen. Sie ermöglichen auf diese Weise einen „Außenblick“ auf Problem und System gleichermaßen. Damit eröffnen sie neue Zugänge zu vorhandenen Mustern und alternativen Sichtweisen und führen zu neuen, unerwarteten Lösungsoptionen.

Zirkuläres Fragen verhilft einer Führungskraft, die erwartete Perspektive ihrer Mitarbeiter, Kollegen und Vorgesetzten zu antizipieren und in ihre Lösungsideen und Entscheidungen mit einzubeziehen.

Mögliche zirkuläre Fragen könnten sein:

  • „Mal angenommen, die gewünschte Veränderung tritt ein, welchen Effekt hätte dies auf z. B. Ihren Kollegen, Ihre Frau etc. Wie reagieren Sie auf die dann eingetretene Veränderung?“
  • „Wenn Ihr Kollege dann anwesend wäre, was würde er sagen über Sie und Ihre Vorgesetzten? Und wie würden Ihre Vorgesetzten das finden?“
  • „Wenn Sie sich in dieser Situation anders verhalten, wen würde das am meisten freuen? Wie würde derjenige reagieren? Und wer würde wiederum darauf besonders reagieren? Wer würde das vielleicht auch gar nicht mitbekommen?“

Für weitere Beispiele vgl. Schmidt-Tanger / Stahl 2007.

Zirkuläres Fragen gehört bei SPRACHKULTUR zum viel genutzten Repertoire im Rahmen von Coaching und Prozessbegleitung.

  • Wir gehen davon aus, dass „Realität“ etwas ist, was aus Vermutungen und Erwartungen über Tatsachen entsteht.
  • Bestimmend für die Realität, in der wir Menschen leben, ist demnach die Perspektive, aus der wir Tatsachen wahrnehmen, wie wir diese sinnlich registrieren und welche Schlüsse, Erwartungen und Urteile wir daraus ableiten.
  • Häufig entstehen „Probleme“ (innere oder äußere Konflikte) aus dem Verharren auf einem Standpunkt. Wir ermöglichen durch unsere Begleitung die unterschiedliche Perspektiven wahrzunehmen.
  • Unsere Haltung beinhaltet dabei, dass es notwendig ist, eine Perspektive je nach Zielsetzung und Gegenüber und Kontext zu priorisieren. Ansonsten ist kein Handeln mehr möglich. Somit ist zirkuläres Fragen ein Werkzeug um je nach Auftrag des Klienten mehrere Optionen wahrzunehmen.
  • Diese werden jedoch nur möglich, wenn alle dazu bereit sind, unterschiedliche Perspektiven einzunehmen und darauf die jeweils besten Lösungsideen zu formulieren.

Literatur

Jessica Andermahr (2014): Fragen haben Wirkung. Köln.

Babak Kaweh (2011): Das Coaching Handbuch für Ausbildung und Praxis. 3. aktual. und überarb. Aufl. Kirchzarten bei Freiburg.

Martina Schmidt-Tanger / Thies Stahl (2005): Change Talk. Coachen lernen. Coaching-Können bis zur Meisterschaft. 2. Aufl. Paderborn.

Fritz B. Simon / Christel Rech-Simon (2012): Zirkuläres Fragen – Systemische Therapie in Fallbeispielen: Ein Lernbuch. 9. Aufl. Heidelberg.