Überall dort, wo Menschen zusammenleben und zusammenarbeiten gibt es Konflikte. Dann helfen Sätze wie „Bleib sachlich“ oder „Komm doch endlich zur Sache“ nur wenig. Häufig sind Konflikte jedoch nicht auf der Sachebene zu befrieden, denn die meisten von ihnen lassen sich nicht mit einem „richtig oder falsch“, sondern eher mit einem „sowohl als auch“ beantworten.

Bei Konflikten reagieren Menschen häufig noch wie vor 30.000 Jahren: mit Flucht oder Angriff. Eine Möglichkeit, Konflikte zu bearbeiten ist es, die Entscheidung darüber an eine dritte Instanz zu delegieren – häufig einen Vormund oder einen Richter –, die für die Konfliktparteien entscheidet. Selten sind Konflikte dann aber gelöst, da ihre Ursachen in der Regel nicht auf der Ebene eines Themas oder Sachverhalts, an dem sich ein Streit entzündet, liegen, sondern fast immer auf der Beziehungsebene zwischen den Konfliktparteien zu finden sind. Die Mediation ist ein strukturiertes und konsensuales Konfliktklärungsverfahren, das hervorragend dazu geeignet ist, die Beziehungsebene in den Blick zu nehmen.

Mediation ist demnach schon ein altes Handwerk und nicht auf den europäischen Kulturraum beschränkt. Grundhaltung und Idee einer konsensualen Konfliktklärung lassen sich in vielen anderen Kulturräumen von afrikanischen Völkern, in Lateinamerika, Melanesien, Jordanien bis hin nach Japan und ins konfuzianische China finden. In der westlichen Kultur ist die Geschichte der Mediation eng mit den gesellschaftlichen Entwicklungen in den USA verbunden. In der Bundesrepublik Deutschland etablierten sich mediative Elemente ab den 1960er Jahren mit der Einführung von Schiedsstellen. In der heutigen Mediationspraxis kommen u. a. Einflüsse aus der Gewaltfreien Kommunikation Marshall Rosenbergs, dem sogenannten Harvard-Konzept, und den Forschungen des Konfliktforschers Friedrich Glasl (Eskalationsstufen bei Konflikten) zusammen.

Wie oben schon angedeutet, lassen sich Konflikte oftmals nicht „objektiv“ klären. Hinter bestimmten Positionen lauern meist ganz andere Interessen. Der eigentlich sichtbare Sachkonflikt ist dann nur die Spitze des Eisberges. Sein größter Teil, bestehend aus bestimmten Gefühlen der Beteiligten, aus intrapersonalen Problemen, aus Schwierigkeiten in den Beziehungen der Konfliktparteien zueinander, in unterschiedlichen Sichtweisen, Werten, Informationen usw. bleibt in der Regel unter der Oberfläche verborgen. Sie sind der Dünger für Konflikte, die bereits dann vorliegen, wenn eine der Parteien sich in der Umsetzung ihrer Ideen und Vorhaben von einer anderen Partei beeinträchtigt sieht. Wie kann diese Partei also wissen, dass eine andere mit ihr einen Konflikt hat? Die Antwort ist in der Kommunikationskultur zu finden, die zwischen den Konfliktparteien herrscht.

Unternehmen erkennen zunehmend, welche Bedeutung einer guten Kommunikationskultur für eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit und die Steigerung der Effizienz zukommt. Mediatives Handeln konnte sich in den letzten Jahren im Kontext von Organisations-, Team- und Führungskräfteentwicklung durchsetzen. Dabei liegt der Fokus weniger auf dem Verfahren selbst als auf den mediativen Kompetenzen einer Führungskraft, innerhalb einer Gruppe mediativ zu handeln und Konflikte konstruktiv anzusprechen. Dabei kommt es in allererster Linie auf gute Kommunikation, auf guten Beziehungsaufbau und auf eine angemessen wertschätzende und zugewandte Dialogfähigkeit an.

Führen mit Mediationskompetenz wird im Arbeitsalltag zunehmend zu einer Schlüsselkompetenz werden, die sowohl in der Personalentwicklungeine zentrale Rolle spielen wird, wenn es darum geht, Konfliktfähigkeit bei Mitarbeitern zu entwickeln, die häufig mit Konflikten in Teams und Abteilungen konfrontiert sind, als auch in der Organisationsentwicklung, wenn Konflikte auf noch ungelöste Probleme in der Gesamtorganisation hinweisen.

Zusammenfassend ist Mediation ein Verfahren zur Vermittlung bei Konflikten, bei dem alle Konfliktbeteiligten einbezogen werden und in direktem Kontakt zueinanderstehen. Eine dritte Person, der Mediator, übernimmt die Gesprächsführung, nimmt jedoch keinen inhaltlichen Einfluss auf die Themen. Er bleibt in der Sache neutral und allen beteiligten Konfliktparteien gegenüber allparteilich zugewandt. Er hält den Rahmen, damit eine einvernehmliche Lösung erreicht werden kann. Mediation ist grundsätzlich freiwillig und alle Beteiligten bleiben zu jedem Zeitpunkt in ihren Entscheidungen selbstbestimmt. Im Gegensatz zu Gerichtsverfahren ist die Mediation ein informelles Verfahren, in dem es jenseits der Parteien keine entscheidungsbefugten Autoritäten gibt.

Mediation ist auch ein Klärungsverfahren bei dilemmatischen Konflikten und eine grundlegende Haltung im Umgang mit anderen Menschen.

Mediation ist für SPRACHKULTUR daher eine Methode, der folgende Haltung zugrunde liegt:

  • Konflikte sind etwas ganz Normales. Sie zu haben, gehört zum Leben dazu.
  • Konflikte bieten Chancen auf Veränderung und Wachstum. Im besten Fall veranlassen Sie Menschen dazu, ihre Standpunkte zu überdenken und Neues zu wagen.
  • Ungelöste Konflikte sind deshalb gefährlich, weil die unterdrückte Kraft im Laufe der Zeit zunimmt und sich – wie bei einem Vulkan – irgendwann an einer anderen Stelle Bahn bricht. In Konflikten liegt dann meist ein selbstzerstörerisches Potential. Eine angemessene Antwort darauf ist es, Konflikte zu akzeptieren und ihre Bedeutung und Berechtigung wertzuschätzen.
  • Konflikte sind Hinweise auf ungelöste Aufgaben für unerfüllte Bedürfnisse und für noch nicht bewusst gewordene Veränderungsprozesse.

Literatur

Roger Fischer / William Ury / Bruce Patton (2014/1981): Das Harvard-Konzept. Der Klassiker der Verhandlungstechnik. Frankfurt am Main.

Christoph Besemer (1995): Mediation – Vermittlung in Konflikten. 3. Aufl. Freiburg-Königsfeld.

John M. Haynes u. a. (2004): Mediation – Vom Konflikt zur Lösung. Stuttgart.

Friedrich Glasl (1997): Konfliktmanagement – Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater. 5. Aufl. Bern.

Anita von Hertel (2013): Professionelle Konfliktlösung. Führen mit Mediationskompetenz. Frankurt am Main / New York.

Gary Friedman / Jack Himmelstein (2013): Konflikte fordern uns heraus. Mediation als Brücke zur Verständigung. Frankfurt am Main.